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Die Orgel der Neuapostolischen Kirche Tübingen

Disposition
Konzeption

Disposition
erbaut von Orgelbau Weigle, 1931/32
Umbau von Orgelbau Mühleisen, Leonberg, 2004

Hauptwerk
1. Bourdon 16’ neu, ab c°
2. Principal 8’ neu, C-g’ im Prospekt
3. Suavial 8’ neu, C-Dis mit Rohrgedeckt, E-g’ im Prospekt
4. Rohrgedeckt 8’ alt (1932, 1983 verändert)
5. Gamba 8’ neu
6. Octave 4’ alt (1983), C-Cis neu im Prospekt
7. Traversflöte 4’ neu
8. Superoctave 2’ neu
9. Mixtur 4f. 2’ alt (1983)
10. Trompete 8’ neu

Schwellwerk
11. Gedeckt 8’ alt (1983)
12. Salicional 8’ neu, C-A mit Gedeckt
13. Voix céleste 8’ neu, ab c
14. Principalflöte 4’ alt (1932, 1983 verändert)
15. Spitzflöte 4’ alt (1932)
16. Nasat 2 2/3’ alt (1932, aus Sesquialter)
17. Blockflöte 2’ neu
18. Terz 1 3/5’ alt (1932, aus Sesquialter)
19. Horn 8’ alt (1932)
Tremulant

Pedal
20. Subbaß 16’ alt (1932, 1983 verändert)
21. Octavbaß 8’ neu, C-H im Prospekt
22. Gedecktbaß 8’ alt/neu, Fortführung aus Subbaß
23. Octave 4’ neu, Fortführung aus Octavbaß
24. Fagott 16’ neu
25. Fagott 8’ neu, Fortführung aus Fagott 16'

Normalkoppeln, Superoktavkoppel II/II 4’, Suboktavkoppel II/I 16’
Mechanische Spiel- und Registertraktur, Magazinbalg und Schöpfanlage sind aus der Orgel von 1932 übernommen.

Konzeption

In die neue Kirche wurde 1931/32 eine Orgel der bekannten Orgelbaufirma Weigle aus Echterdingen eingebaut. Sie hatte 14 Register auf pneumatischen Kegelladen, deren Auswahl durch die Grundtönigkeit und Weichheit des Klangs eine deutlich romantische Ausrichtung zeigte. Damas wurde die Orgel nicht nur mit einem elektrisch angetriebenen Motor versehen, die Windversorgung wurde vorsichtshalber zusätzlich durch eine Schöpfanlage sichergestellt, die im Laufe der Zeit auch mehrfach eingesetzt werden mußte. Sie blieb bis heute erhalten.

Bei einer Renovierung 1983 wurde dagegen die Orgel klanglich und technisch völlig umgestaltet. Sie erhielt einen neuen elektrischen Spieltisch, die Kegelladen wurden elektrifiziert. Alle romantischen Register und Klänge wurden entfernt oder umgearbeitet, nur weniges blieb original erhalten. Elf elektronisch erzeugte Klangfarben ergänzten die 14 Pfeifenregister. Der alte, bereits mehrfach bronzierte Zinkprospekt wurde durch neue Zinnpfeifen ersetzt. Die Aufstellung blieb, jedoch der Schwung der alten Pfeifenfelder wurde verändert.

In den letzten Jahren wurden mehrere Probleme deutlich, deren Ursachen im Aufbau der Orgel lagen. So war durch das Fehlen eines Gehäuses und die Sonneneinstrahlung die Orgel immer in sich verstimmt. Die elektronischen Register fielen aus. Durch die Aufstellung der Windladen in den Ecken des Altarraums wie durch das Altarmikrophon wurde der Orgelklang oft verzerrt. Zudem wurden die technischen Bestandteile zunehmend störanfällig. Die Sanierung des Gebäudes brachte mit der Umgestaltung des Kirchenraums die Möglichkeit, auch die Orgel grundlegend neu aufzubauen und die Schwachstellen in Technik, Aufstellung und Klang zu beseitigen.

Es wurde am alten Platz der Orgel und an einem freistehenden Prospekt von einer Seitenwand zur anderen festgehalten. Der innere Aufbau und damit auch der Prospekt mußten aber neu konzipiert werden, um die Probleme der alten Orgel in den Griff zu bekommen. In der Mitte des Altarraumes stehen nun die kräftigen Stimmen des Hauptwerkes, mit denen der ganze Kirchenraum klanglich gut beschallt werden kann. Die leisen Stimmen des zweiten Manuals sind dahinter aufgestellt, die tiefen Register des Pedals seitlich. Aus diesem Grund können keine Holzpfeifen aus dem Pedal wie in der Orgel von 1932 im Prospekt verwendet werden. Da die leisen Klangfarben zusätzlich in einem Schwellkasten eingeschlossen sind, mit dem man sie in der Lautstärke noch weiter zurücknehmen kann, ist ein Gehäuse vor den unteren Feldern des Buntglasfensters nötig. Um die verdeckten Felder sichtbar zu machen, besteht das hintere Gehäuse aus Glas, das wiederum wegen der Sonneneinstrahlung wärmeisoliert ist. Die ganze Orgel ist damit transparent und durchsichtig und läßt den Lichteinfall durch die Buntverglasung in den Kirchenraum zu.

Für die Orgel wurde ein Wettbewerb unter drei der renommiertesten Orgelfirmen Süddeutschlands ausgeschrieben. Alle Firmen lösten die technischen und musikalischen Herausforderungen des Standortes auf unterschiedliche Weise. Am überzeugendsten gelang dies der Firma Mühleisen aus Leonberg, die auch den Zuschlag und Auftrag erhielt.

Jede Pfeife und jedes Register wird auf rein mechanischem Weg gesteuert. Mit der erhaltenen und überholten Schöpfanlage ist es nun wieder möglich, die Orgel völlig ohne elektrischen Strom zu spielen. In die Disposition sind die original erhaltenen und auch einige rekonstruierte Klangfarben integriert, so daß die Orgel mit ihren 25 Registern und insgesamt 1320 Pfeifen, die größte davon im Prospekt mit 4,40 m Länge, wieder eine romantische Tendenz aufweist. Diese stilistische Ausrichtung zeigt sich unter anderem in der reichen Grundstimmen-Palette des Hauptwerks. Außer dem Principal, dem alten Rohrgedeckt als flötendem Register und der streichenden Gamba hat die Orgel nun einen weichen, flötenden Principal in dem für den Prospekt benötigten Suavial. Ergänzt wird der Grundstimmenreichtum mit der ab c’ überblasenden Traversflöte, die dem mischfähigen Fundament Helligkeit gibt. Im Schwellwerk wurde die Disposition wieder um den fehlenden Streicher, ein Salicional, ergänzt. Dieses mischt sich hervorragend mit der original erhaltenen Spitzflöte, deren Mensur sehr eng, deren Klang auch trotz des halbkreisförmigen Aufschnitts streichend ist. Das Horn 8’, bislang die einzige Zunge der Orgel, erhielt mit der Trompete im Hauptwerk und den Fagotten im Pedal Verstärkung, die dem Klang Fülle und Kraft geben.

Neben den weiteren Registern ermöglichen auch die zusätzlichen Oktavkoppeln eine außerordentliche Klangvielfalt. So kann das Schwellwerk in sich um eine Oktave nach oben gekoppelt werden, die Superkoppel im Schwellwerk kann über die Manualkoppel auch ins Hauptwerk genommen werden. Zusätzlich kann mit der Subkoppel das Schwellwerk eine Oktave tiefer an das Hauptwerk gekoppelt werden.


Fotos/Texte mit freundlicher Genehmigung von Andreas Ostheimer
OI-T-6